Musikantendorf Hundeshagen

Wandermusikanten

 


Die Wandermusikaten aus dem Musikantendorf Hundeshagen im Eichsfeld

aufgeschrieben vom Ortschronisten Gerhard Trunkhan

Hundeshagen ist weit und breit als eichsfeldisches Musikantendorf bekannt, von dessen Einwohner ein großer Teil Jahr für Jahr, in die verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes hinauszog, um mit Gesang und Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Der Ort Hundeshagen wird am 15. April 1282 das erste Mal urkundlich erwähnt und ist ringsum von bewaldeten Höhen umgeben. Das zur Gemarkung Hundeshagen gehörende Ackerland liegt zum größten Teil an Abhängen der Erhebungen und war sehr schwer zu bearbeiten. Deshalb waren die Einwohner, auf Beschäftigung von außerhalb der Heimat, angewiesen.

So entstand im Laufe der Zeit ein Wandergewerbe aus der wirtschaftlichen Not der Hundeshagener und einer, von außen kommenden Anregung.

Die Herren von Westernhagen, deren Gerichtsbarkeit der Ort  Hundeshagen unterstand, ließen Ende des 17. Jahrhunderts auf ihren Grund und Boden, in der Nähe des Dorfes, die Kolonie
FREIHEIT entstehen, indem sie dort, wie der Kommissariats Assessor  Satorius  1798 schreibt, jeden aufnahmen, der den Schutz bezahlte (Quelle: Kommissariats Archiv in Heiligenstadt).

Etwa 1,5 Kilometer westlich von Hundeshagen lag die Burg Westernhagen auf einer Anhöhe und war von einem künstlichen Wasserlauf umgeben.

Die Adelsfamilie HAGEN,  ist ein bekanntes Geschlecht und war in vielen Dörfern unserer Gegend präsent. Die Burg "Westernhagen" wurde 1525 von Bauern (Bauernkrieg) zerstört, wird jedoch 1557 noch einmal genannt.

Im Jahr 1780 ließ sich der aus "Zwickau in Böhmen" stammende Josef Neumann auf der FREIHEIT nieder und verheiratete sich mit einer Elisabeth Sibilitz. Die Eheschließung ist in den Kirchenbüchern nicht eingetragen, aber am 02. April 1781 die Taufe ihres Sohnes Christoph und am 15. April 1785 die Taufe ihrer Tochter Anna.

Josef Neumann spielte eine ganze Reihe von Instrumenten und wusste seine junge Frau, die sehr musikalisch war, für diese edle Kunst zu begeistern. Er brachte ihr, als tüchtiger Musiklehrer, das Spielen auf der Begleitharfe, bei. Dann zogen sie zusammen auf Wanderschaft und machten Musik, wo immer sich die Gelegenheit bot.

Die Musik der Familie Neumann kam bei den Zuhörern sehr gut an und diese zeigten sich mit Geldspenden dankbar. Neumanns lebten auf ihren Reisen sehr sparsam, wie sie es gewohnt waren. Nach Monaten in der Fremde kamen sie wieder nach Hause und hatten ein schönes Sümmchen, an Geld, erspielt. Dieser Erfolg, in baren Gelde, welcher damals sehr selten auf dem Lande war, erwarb dem eigenartigen Erwerbszweig schnell neue Anhänger. Man kaufte Instrumente wie Harfen, Geigen und Gitarren oder man fertigte sich diese selber an.

Bei Familie Neumann ging man dann in die Lehre, um das Spielen auf diesen Instrumenten zu erlernen.

1798 schreibt der Anfangs erwähnte SATORIUS, dass die meisten Bewohner der FREIHEIT, als Musikanten einen Teil des Jahres umherziehen, in kleinen Kapelle, 3 – 4 Personen stark.

Im Laufe der Jahre bildeten sich dann Harfenisten- und Blaskapellen; aber auch einzelne Personen, die mit Drehorgel oder Gläserkasten durch die Lande zogen.

Hundeshagen gehörte bis zur Säkularisation im Jahr 1802 zu Kurmains. Von 1802 – 1807 war Hundeshagen preußisch und kam dann Königreich Westfalen.

Ab 1815 war er ein Teil der preußischen Provinz Sachsen. Unter der preußischen Hoheit und vor allem in der Mitte des 19. Jahrhunderts häuften sich tragische Ereignisse, die auch den Ort Hundeshagen heimsuchten. Mit Ausbruch der Deutschen Revolution 1848/1849 kam es auch in Hundeshagen zu Kampfhandlungen, durch die das Gut EYLUNGEN, zerstört wurde. Die Aufstände wurden jedoch erstickt, als Mühlhäuser Kürassiere und Jäger aus Nordhausen Hundeshagen besetzten und zahlreiche Einwohner zu hohen Haftstrafen verurteilten.

Lange Jahre war das REISEN recht beschwerlich. Fast alle Strecken wurden zu Fuß zurückgelegt. Manchmal waren sie froh, wenn sie am Waldesrand, in einer Schlucht oder an einem Bach einen geeigneten Ort fanden, wo sie ein Feuer anzündeten und lagern konnten.

Kamen sie an einem größeren Ort, so war der erste Gang zum Bürgermeister, um die erforderliche Spielerlaubnis einzuholen, welche auch nur selten verweigert wurde. Erst dann begann das Musizieren auf Straßen und öffentlichen Plätzen. In den Spielpausen wurde das Geld eingesammelt und zugleich das Gasthaus bekannt gegeben, wo am Abend gespielt wurde. Dort fanden sich dann interessierte Leute ein und das Singen und Spielen ging dann bis tief in die Nacht hinein, manches Mal auch bis zum frühen Morgen, solange eben Gäste blieben und zahlten.

Im Laufe der Zeit nahm die Anzahl der Kapellen enorm zu, als die Wegstrecken mit der Bahn zurückgelegt werden konnten. Seit dieser Zeit findet man Hundeshagener Musikanten in allen preußischen Provinzen, in Bayern, in Baden und Sachsen, in Oldenburg und Thüringen. Besondere Anziehungspunkte waren in München das Oktoberfest, der Kölner Karneval, die Fürther Kärwa, die Ulmer Dult, der Bremer Freimarkt und die Leipziger Messe.

Auch in der Reichshauptstadt Berlin waren Hundeshagener Musikanten bekannt.

Als besonders gute und tüchtige Kapellen galten die von Karl Nachtwey, Michael Pfeil, Johannes Mollenhauer, Josef und Christian Artmann und Gottfried Müller.

Durch die lange Ausübung dieses Berufes haben sich die Hundeshagener Musiker an ihr Gewerbe und eigenartige Lebensweise gewöhnt.

Behördlicherseits hat man des Öfteren versucht, dass Wandergewerbe einzuschränken und die umherziehenden Wandermusikanten anderen Berufen zu zuführen.

Schon im Jahr 1848 war von solchen Maßnahmen der Erfurter Regierung die Rede. Im Jahr 1867 wurde dementsprechend auch die Gewerbesteuer erhöht. Der Erfolg blieb jedoch aus; ganz im Gegenteil, denn die Musikgesellschaften mehrten sich ständig. Auch ließ man sich bei den um 1900 gegründeten Zigarrenfabriken nicht irre machen, obwohl man ihnen gute Verdienstmöglichkeiten am Ort versprach, und man ging weiter auf die Musikreisen.

Im zweiten Weltkrieg ruhte natürlich die Musik. Die Musiker mussten zur Wehrmacht und viele von ihnen sind nicht wieder zurückgekehrt (gefallen oder vermisst). Die musizierenden Frauen mussten, wie die übrigen auch, in die Munitionsfabriken.

Nach Beendigung des verheerenden Krieges gingen die Musikanten wieder auf ihre musikalischen Reisen. Sie wurden durch die Reichsmusikkammer von der drückenden Gewerbesteuer befreit und auch von der Pflicht, die Spielerlaubnis einzuholen, wo immer sie aufgetreten sind.

Diese außergewöhnlichen Vergünstigungen wurden bald wieder rückgängig gemacht. Nur mit Mühe haben im Jahr 1938 30 Musikgesellschaften ihren Gewerbeschein erhalten, während es im Jahr 1918 noch 80 Musikgesellschaften waren. Auch kam das vorgeschriebene Landjahr für die Mädchen zur Anwendung. Es sollten eben alle in der Heimat arbeiten, da es in allen Berufen an Arbeitskräften fehlte.

Das nach dem zweiten Weltkrieg entstandene DDR – Regime untersagte dann im Jahr 1958 ganz dem Wandergewerbe nachzugehen und man stellte keine Gewerbegenehmigungen mehr aus. Somit war der WANDERMUSIK ein Ende gesetzt. Man war gezwungen sich eine andere Arbeit zu suchen um seine Familie zu ernähren.

Ein großer Teil der Hundeshagener Musikanten suchte sich Arbeit in der Fremde und waren die ganze Woche nicht zu Hause (Maurer, Zimmerleute, handwerkliche Berufe). Ein anderer Teil nutzte auch die Saisonarbeit wie z.B. Zuckerfabriken in Oldisleben, Dingelbe und Sangerhausen. Ein sehr geringer Teil blieb auch im Ort und fand Arbeit in der Zigarrenfabrik (Zweigstelle von Gildemann in Dingelstädt). Als die Zigarrenfabrik im Jahr 1970 geschlossen wurde, fanden viele Hundeshagener Arbeit in der neu gebauten Baumwollspinne- und Zwirnerei in Leinefelde, sowie später dann im Zementwerk in Deuna und in der Zentronik in Worbis.

Ein sehr geringer Teil der Hundeshagener hatten nach der langersehnten Wende noch Arbeit in diesen Betrieben. Viele haben dann in den alten Bundesländern wieder Arbeit gefunden. Dabei nahmen sie weite Entfernungen zum Arbeitsplatz in Kauf; aber die Hundeshagener sind und waren das REISEN ja gewohnt.